Slow Food kommentiert den UN-Bericht über Fortschritte des Null-Hunger-Programms

16 Jul 2019 | German

„Wir brauchen ambitioniertere Politiken zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Ausgrenzung – angefangen bei einem inklusiven und sozial gerechten agrarökologischen Modell für Lebensmittelherstellung.”

Laut dem UN-Bericht nimmt die Zahl der Hungerleidenden weltweit weiter zu, am schlimmsten betroffen ist Afrika.

15 Juli 2019, Slow Food HQ – Der neue UN-Bericht über den Zustand der Ernährungssicherheit und Ernährung der Welt (SOFI), Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen FAO, IFAD, WHO, UNICEF und WFP, wurde heute in New York vorgestellt. Die Studie enthält eine aktualisierte Schätzung der Anzahl an Menschen, die weltweit an Hunger und Fettleibigkeit leiden, sowie an Kindern, die an Rachitis und Karies leiden.

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Das sind wichtige Daten über den Fortschritt bezüglich des nachhaltigen Entwicklungsziels zur Überwindung der Hungers. Laut dem Bericht scheint es immer schwieriger zu werden, diese Ziele zu erreichen. Nach Jahrzehnten der kontinuierlichen Abnahme des weltweiten Phänomens Hunger – gemessen anhand des Vorherrschens von Unterernährung – nimmt der Trend seit 2015 langsam wieder zu. 2018 gab es auf der Welt noch über 820 Millionen Hungerleidende, und schätzungsweise über 2 Mrd. Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu gesundheitlich unbedenklicher, nahrhafter und ausreichender Nahrung, einschließlich 8 Prozent der Bevölkerung von Nordamerika und Europa.

Die Gründe liegen laut den Vereinten Nationen im Wirtschaftssystem: Das Problem des Hungers hat in vielen Ländern zugenommen, in denen die Wirtschaft stagniert, besonders in Ländern mit mittleren Einkommen. Die Wirtschaftskrisen verschlimmern die durch Kriege und Klimaveränderungen ausgelösten Nahrungsmittelkrisen noch zusätzlich.

Als Reaktion auf dieses besorgniserregende Bild kommentiert Carlo Petrini, internationaler Präsident von Slow Food und FAO-Botschafter des Null-Hunger-Programms: „Zum vierten Jahr in Folge zeigt der Bericht eine sich verschlechternde Situation, der Trend ist also negativ. Es scheint unglaublich, dass der Homo Sapiens im Jahr 2019 immer noch gegen Hunger ankämpfen muss, und sogar noch unglaublicher, dass wir den Kampf offensichtlich verlieren! Slow Food ist seit vielen Jahren an vorderster Front aktiv: Die Lage, die der neue UN-Bericht abbildet, ruft nach noch mehr Engagement, und zwar voller Entschiedenheit und Dringlichkeit. Der Bericht sagt uns auch, dass das Problem nicht die welt weit verfügbare Menge an Lebensmitteln ist, wie die multinationalen Konzerne der Agrarindustrie behaupten, sondern die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln für die Menschen, die in wirtschaftlich und sozial benachteiligten Gebieten leben. Es geht hier um vorenthaltene Rechte und nicht um eine Steigerung der Produktion. Deshalb brauchen wir ambitionierte politische Maßnahmen der Regierungen auf der ganzen Welt zur Bekämpfung von Armut, Ungleichheit und Ausgrenzung, die ein inklusives und sozial gerechtes agrarökologisches Modell von Lebensmittelherstellung fördern und in die Tat umsetzen.”

Im Hinblick auf den Kontinent, der nach wie vor am schlimmsten Hunger leidet – Afrika – fügt Edie Mukiibi, Agronom aus Uganda und Mitglied des internationalen Vorstands von Slow Food, hinzu: „Die 3207 agrarökologischen Gärten, die Slow Food in 35 afrikanischen Ländern gegründet hat, sind ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des Problems der Mangelernährung. Ein positives Beispiel für die Beteiligung der Gemeinschaft und Organisation von der Basis aus. Und vor allem sind sie ein Modell, das man problemlos reproduzieren kann: aus eigener Kraft (die verglichen mit der der Institutionen und Regierungen ziemlich gering ist) haben wir es geschafft, über 3.000 neue Gärten anzulegen. Jeder dieser Gärten trägt dazu bei, die Individuen zu unterstützen und zu verhindern, dass die Zahlen noch schlimmer werden, als sie es ohnehin schon sind, wie aus dem aktuellen UN-Bericht hervorgeht”.

Im Rahmen des Slow-Food-Projekts der Gärten in Afrika konnten bisher 1585 Projekte in Schulen und 1622 Projekte in den Gemeinschaften umgesetzt werden, insgesamt gibt es aktuell 3207 Gärten. Daran wirken 305.000 Schülermit (die Hälfte davon sind weiblich) und über 40.000 Erwachsene (in diesem Fall sind 72% Frauen). Diese Gärten setzen ein klares Zeichen, dass die Afrikaner daran arbeiten,  das Problem des Hungers und der Mangelernährung von innen heraus zu lösen.

Mukiibi betont: „Slow-Food-Gärten sind nicht nur zusätzliche Nahrungsquellen für die Gemeinschaft, sondern stellen auch ein didaktisches und kulturelles Instrument für alle Beteiligten dar. Sie erhöhen die Versorgung mit und das Angebot an frischen Lebensmitteln für den Eigenverzehr und reduzieren gleichzeitig die Abhängigkeit vom Markt für Saatgut und Nahrungsergänzungsmittel.  Die Wiederentdeckung lokaler Ökotypen – die besser an die lokalen Ökosysteme angepasst sind – und die Wiederaufnahme ihres Anbaus können grundlegend dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels sicherzustellen. Ein Lebensmittelsystem, das auf ganz unterschiedlichen Anbaupflanzen basiert, ist einfach stärker, nicht nur weil es die Probleme überwinden kann, die die Pflanzen jede Saison befallen können, sondern auch weil es durch den Garten eine größere biologische Vielfalt und eine gesündere und vielseitigere Ernährung ermöglicht.”

Slow Food Pressebüro
Paola Nano [email protected] – +39 329 38321285
[email protected]

Slow Food ist eine weltweite, mitgliedergestützte Bewegung, die sich dafür einsetzt, dass jeder Mensch Zugang zu Nahrung hat, die sein Wohlergehen sowie das der Produzenten und der Umwelt erhält. Zur Slow-Food-Bewegung gehören über eine Million Aktivisten, Köche, Fachleute, junge Menschen, Bauern, Fischer und Akademiker in über 160 Ländern.

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