Die Gemeinsame Agrarpolitik: Europa braucht ambitionierte Ziele

26 Nov 2020 | German

Am 24. November hat Slow Food die Online-Veranstaltung „Die Gemeinsame Agrarpolitik: Europa braucht ambitionierte Ziele” ausgerichtet, bei der Vertreter der Europäischen Kommission (Generaldirektion für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung), des deutschen und italienischen Landwirtschaftministeriums sowie Bauern und  Fachleute aus dem Slow-Food-Netzwerk aus Italien und Deutschland zugegen waren.

Vergangenen Oktober fand im Europäischen Parlament die definitive Abstimmung zur neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) statt. Der Ausgang begrub die Hoffnungen auf eine Landwirtschaftpolitik, die für die großen Herausforderungen und die Erfordernisse der Zukunft gewappnet  ist und ein neues Gleichgewicht zwischen Bauern, Menschen und der Natur schaffen kann. Da die Mitgliedsstaaten nun ihre nationalen Strategiepläne erarbeiten, um die neue GAP an den jeweiligen Landeskontext anzupassen, war die gestrige Diskussion eine wichtige Gelegenheit, sich über die Zukunft der europäischen Landwirtschaft auszutauschen und gemeinsam die Frage zu diskutieren, ob diese nationalen Pläne den ökologischen und sozialen Zielsetzungen des EU-Green-Deal gerecht werden.

„Es wird immer deutlicher, dass agrarökologische Lebensmittelsysteme die Lösung für viele Probleme bereit halten, denn sie fördern die Bindung von Kohlenstoff, sie erhalten die biologische Vielfalt von Nutzpflanzen und sie unterstützen die Artenvielfalt unserer Ökosysteme. Slow Food war erfreut, dass das Konzept der Agrarökologie sowohl in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch” als auch in der Biodiversitätsstrategie der EU enthalten ist. Das war höchste Zeit!“, so Marta Messa, Leiterin von Slow Food Europa. „Es ist von grundlegender Bedeutung, dass die Nationalen Strategiepläne für die GAP den ambitionierten ökologischen und sozialen Zielen des Green Deal der EU gerecht werden. Die Ziele tiefer zu stecken, würde das Wohlergehen unserer Ökosysteme und der Gesellschaft weiter aufs Spiel setzen und die Existenz von agroökologischen Kleinbauern bedrohen. Das können wir uns nicht länger leisten.”

Amadé Billesberger, Bio-Bauer aus Deutschland, wies auf das Paradox der derzeitigen Nahrungsmittelpolitik hin: „Kleinbauern sind die Behüter von Biodiversität und Garanten der Qualität. Die gegenwärtige GAP bringt Kleinbetriebe jedoch dazu, zu schließen und ermöglicht es Großbetrieben, weiter zu wachsen. Warum erhalten Bauern unabhängig davon, wie sie ihre Nahrungsmittel anbauen, Subventionen? Ich würde mir wünschen, dass die GAP die EU-Subventionen an die Schaffung und Erhaltung gesunder Böden koppelt.”

Landwirtschaft ist ein komplexes Thema, das eng mit anderen wichtigen Themen verknüpft ist, wie Klimawandel, Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder. Wie es Gijs Schilthuis, Bereichsleiter in der Generaldirektion für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung ausdrückt: „Landwirtschaftspolitik muss auf die gegenwärtigen Herausforderungen eingehen“, da das herkömmliche Modell industrieller Lebensmittelherstellung eine der Hauptursachen für den Verlust der Biodiversität, Wasser- und Luftverschmutzung sowie den Klimawandel ist. „Unsere Devise heißt jetzt nicht mehr: „Wir brauchen eine Gemeinsame Agrarpolitik”, sondern: „Wir brauchen eine Gemeinsame Agrarpolitik im Rahmen einer weiter gefassten Ernährungspolitik.“

Vertreter des italienischen und deutschen Landwirtschaftsministeriums erkannten die Notwendigkeit an, auf nationaler Ebene Maßnahmen zu ergreifen, um den Übergang zu einer nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Lebensmittel- und Landwirtschaftspolitik einzuleiten. „In Bezug auf die Vergabe von Subventionen sind die Ziele der GAP sehr ambitioniert, aber das ist auch richtig so, denn sie macht schließlich 30% des europäischen Haushalts aus”, kommentierte Fabio Pierangeli aus Italien. „Wir müssen das sozio-ökonomische Gefüge der ländlichen Gebiete stärken, die vor erheblichen Herausforderungen stehen, wie der Entvölkerung”, fügte Gisela Günter mit Bezug auf den deutschen Kontext hinzu.

Für die auf Landesebene laufenden Diskussionen, wie die GAP im jeweiligen nationalen Kontext ausgestaltet werden soll, wäre es ein großer Zugewinn, wenn man alle relevanten Akteure an einen Tisch bringen könnte, einschließlich der Kleinbauern. Wie Francesco Sottile, Mitglied des Exekutivkomitees von Slow Food Italien, richtig betonte: „Europa ist wie ein Puzzle aus vielen kleinen Stücken, die alle gleich wichtig sind. Ein wichtiges Puzzlestück sind die  Kleinbauern mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrer natürlichen Liebe für  die Landwirtschaft.”

Wir von Slow Food sind der Meinung, dass Agrarökologie der Schlüssel ist, um den dringend erforderlichen Übergang zu nachhaltigen Nahrungsmittelsystemen in Europa zu bewirken. Wir ermutigen die Mitgliedsstaaten, diesen innovativen Ansatz zu berücksichtigen, wenn sie ihre Nationalen Strategiepläne entwerfen und die zukünftige Landwirtschaft für ihre Länder und für Europa gestalten.

 

Für weitere Informationen:

Pressestelle von Slow Food International
[email protected]
Paola Nano (+39 329 8321285) – Alice Poiron ([email protected])

 

Slow Food ist ein globales Netzwerk lokaler Gemeinschaften, das 1989 gegründet wurde, um das Verschwinden lokaler Esskulturen und -traditionen zu verhindern und dem Aufstieg der Fast-Food-Kultur entgegenzuwirken. Seit seiner Gründung hat sich Slow Food zu einer globalen Bewegung entwickelt, an der Millionen von Menschen in über 160 Ländern beteiligt sind und die sich dafür einsetzt, dass alle Menschen Zugang zu gutem, sauberem und fairem Essen haben.

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