06 März 2017 – Anknüpfend an die von der EU Kommission kürzlich gestartete öffentliche Umfrage zur „Modernisierung und Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP), fordert ein Bündnis aus europäischen Zivilgesellschaftsorganisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt, Entwicklung, Klima, artgerechte Tierhaltung und Lebensmittelsystem einen radikalen Kurswechsel hin zu einem ökologisch nachhaltigen Ernährungssystem.
Zivilgesellschaftsorganisationen aus 25 Ländern, darunter Slow Food, haben die EU-Entscheidungsträger heute in einem Positionspapier dazu aufgefordert die Gemeinsame Agrarpolitik mit der Reform 2020 radikal umzugestalten und sich mit der EU-Agrarpolitik gutem Essen und zukunftsfähigen landwirtschaftlichen Praktiken in Europa zuzuwenden. Der Aufruf richtet sich vor allem an die EU-Landwirtschaftsminister, die sich heute bei einem Treffen in Brüssel zur GAP-Reform beraten.
Slow Food Präsident Carlo Petrini stellte fest: “Wir brauchen einen radikalen Richtungswechsel in der europäischen Landwirtschaft. Um dies zu erreichen, müssen wir die Prinzipien ändern, die die GAP führen. Wir brauchen eine Agrarpolitik, die die Interessen der kleinen Produzenten schützt, die die Biodiversität verteidigt und die Zerstörung des Bodens und anderen natürlichen Ressourcen durch die landwirtschaftliche Industrie verhindert.”
Die 150 unterzeichnenden Organisationen des Positionspapiers sind der Meinung, dass Europas aktuelles Lebensmittelsystem nicht mehr funktioniert und dass es fundamental umstrukturiert werden muss, um dessen unzählige Probleme zu bewältigen, angefangen beim Höfesterben, der Existenzsicherung der Erzeuger und den Auswirkungen der Landwirtschaft auf die lokale Wirtschaft, bis hin zu den großen Umweltproblemen, den Tierwohlfragen und vielem mehr.
Die Auswirkungen der GAP und von Agrarpolitiken, die die industrielle Lebensmittelproduktion begünstigen, sind besorgniserregend:
- Bauernhöfe verschwinden mit alarmierender Geschwindigkeit: 1 von 4 Bauernhöfen in der EU hat zwischen 2003 und 2013 aufgegeben.
- Die intensive Landnutzung trägt zum Biodiversitätsverlust innerhalb Europa bei und bedroht die landwirtschaftliche Bodennutzung.
- Global gesehen sind schon über 90% der Sorten- und Artenvielfalt von den Feldern verschwunden und 75% aller Lebensmittel werden aus nur 12 Pflanzensorten und 5 Tierarten gewonnen.
- Europas Landnutzung-Fußabdruck beläuft sich auf 269 Millionen Hektar – davon werden allerdings 40 % der Landfläche nicht auf dem eigenen Kontinent, sondern außerhalb Europas Grenzen genutzt und in Anspruch genommen (insgesamt eine Fläche der Länder Frankreich und Italien zusammen).
- Die Landwirtschaft macht konservativ angesetzt 10% der gesamten EU-Treibhausgasemissionen aus.
- 20% aller in der EU erzeugten Lebensmittel (88 Millionen Tonnen) werden jedes Jahr verschwendet, während 43 Millionen EU-Bürger (8.5%) es sich nicht leisten können sich jeden zweiten Tag eine qualitativ hochwertige Mahlzeit zu kaufen.
Um die oben angesprochenen Probleme zu lösen und den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) gemäß des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden muss die EU die GAP dringend von grundauf reformiert werden. Statt der Agrarindustrie Vorteile zuzugestehen, sollten agrarökologische Strukturen und Erzeuger begünstigt werden, die ökologisch nachhaltig wirtschaften.
Die 150 unterzeichnenden Organisationen rufen dazu auf die GAP auf folgende Ziele auszurichten:
- Ein gerechteres Lebensmittelsystem zu schaffen, welches die regionale Wirtschaft im ländlichen Raum stärkt und welches Erzeugern eine angemessene Entlohnung und akzeptable Arbeitsbedingungen zusichert.
- Ein Lebensmittelsystem, das die Umwelt schützt statt schädigt und das aus landwirtschaftlichen Produktionsweisen besteht, die mit Respekt gegenüber Tier und Mensch arbeiten.
- Mehr Mitspracherecht für die Zivilgesellschaft und die Abwendung vom aktuell unverhältnismäßig hohen Einfluss der Industrie.
Die 150 unterzeichnenden Organisationen rufen dazu auf, schädlichen Subventionen ein Ende zu setzen und fordern Unterstützung und Anreize für sozial, ökologisch, ökonomisch zukunftsfähig arbeitende Betriebe.
Das komplette Positionspapier finden Sie hier: https://www.slowfood.com/sloweurope/wp-content/uploads/Good-Food-Good-Farming-DE-Stellungnahme-der-Zivilgesellschaft-zur-Europäischen-Agrarreform.pdf
Weitere Informationen:
Pressebüro Slow Food International – [email protected] – Twitter: @SlowFoodPress
Slow Food ist eine internationale Organisation mit regionalen Wurzeln, die gute, saubere und faire Lebensmittel für alle fördert: Gut heißt gesund und dazu geschmacklich angenehm, sauber heißt, dass sie die Umwelt und das Wohlergehen der Tiere achten, fair heißt, dass sie die Arbeit von denen, die sie erzeugen, verarbeiten und verkaufen, achten. Slow Food ist eine große Organisation mit über 1500 lokalen Gruppen und 2400 Lebensmittelgemeinschaften, die für die gesamte Bewegung eine führende Rolle einnimmt und jedes Jahr Millionen Menschen einbezieht. Über Projekte wie die Arche des Geschmacks, die Presidi, die Gärten in Afrika und die Mobilisierung des Netzwerks Terra Madre schützt Slow Food das Agrar- und Lebensmittelerbe in aller Welt und fördert eine Landwirtschaft, die Umwelt, Gesundheit und lokale Kulturen bewahrt.