Die Veröffentlichung des neuen Fao Reports zeigt: Die Hungersnot nimmt weiter zu.
Die Zahl der hungernden Menschen hat im Jahr 2019 fast 690 Millionen (8,9% der Weltbevölkerung) erreicht.
Das besagt der Bericht über den Stand von Ernährungssicherheit und Ernährung in der Welt (The State of Food Security and Nutrition in the World – Sofi), welcher von Fao (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) gerade veröffentlicht wurde. Sie definiert die Unterernährung als ein Zustand derjenigen, die ein Jahr lang keinen Zugang zu ausreichender Nahrung haben, um ihren minimalen täglichen Energiebedarf zu decken.
In dem über 250 Seiten umfassenden Bericht lassen die Daten kaum Raum für Optimismus. Im Vergleich zum Vorjahr* ist die Zahl der Menschen, die keinen Zugang zu genügend Nahrung hatten, auf 60 Millionen gestiegen (ungefähr so viel wie die Gesamtbevölkerung Italiens).
Alle Augen auf Afrika

Diesen Daten nach zu urteilen, betrifft die dramatischte Lage vor allem den afrikanischen Kontinent, wo jeder fünfte Mensch an Hunger leidet (etwa 250 Millionen Menschen oder 19,1% der Gesamtzahl, was mehr als das Doppelte des weltweiten Durchschnitts ausmacht).
«Afrikas tiefe Nahrungsmittelkrise ist das Ergebnis einer Reihe von Faktoren, die sofort und ohne Zeitverlust angegangen werden müssen.», behauptet der ugandische Agrarwissenschaftler Edie Mukiibi, Mitglied des Exekutivkomitees von Slow Food International. «Dies erfordert einerseits die Bekämpfung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Ungerechtigkeiten, die in vielen afrikanischen Gemeinschaften Armut und Leid verursachen, und andererseits die Förderung eines Mechanismus zur Sicherung des Lebensunterhalts, der die lokale Kleinwirtschaft sowie die Initiativen und Innovationen von Frauen und Jungbauern unterstützt. Dies hat meiner Meinung nach oberste Priorität».

Slow Food hat sein Engagement für Afrika seit langem ganz oben auf seine Agenda gesetzt und 2010 das Projekt Gärten in Afrika gestartet, mit dessen Hilfe bis heute 3334 Gärten in 35 Ländern des afrikanischen Kontinents entstanden sind. Heute zeigt sich die Strategie von Slow Food für Afrika in einer Reihe von Initiativen, die von der Förderung vom Konsum lokaler Produkte bis zur Erziehung in den Schulen, vom Schutz der biologischen Vielfalt (durch die Arche des Geschmacks und die Slow Food-Präsidia) über die Förderung der lokalen Gastronomie bis hin zu Kampagnen bezüglich einiger großer Themen reichen, die schon immer im Mittelpunkt unseres Einsatzes standen: OGM, Landgrabbing und nachhaltige Fischerei.
Der Datenbestand im neuen FAO-Bericht zeigt, dass die Zahl der an Unterernährung leidenden Menschen in Afrika in den letzten fünf Jahren um anderthalb Prozentpunkte gestiegen ist. Noch dramatischer sind die Prognosen für das Jahr 2030: Wenn der Trend anhält, werden 25,7% der in Afrika lebenden Menschen (433 Millionen Menschen von der geschätzten Gesamtbevölkerung in zehn Jahren, also etwa 1,6 Milliarden) nicht über ausreichend Nahrung verfügen, um ein normales, aktives und gesundes Leben zu gewährleisten.
Betrachtet man erneut die heutige Situation und die absoluten Daten, so ist Asien die Region der Welt, in der die meisten unterernährten Menschen leben (381 Millionen, aber mit einer Rate von 8,3% im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt von 8,9%). Die Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch liegt in der Tatsache, dass die Mehrheit der Erdbevölkerung gerade in Asien lebt.

Covid-19 und der Welthunger: weitere hundert Millionen Menschen gefährdet
Die Analysen, über die wir schreiben, berücksichtigen jedoch nicht die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Die von der FAO gesammelten Daten beziehen sich auf das Jahr 2019, also auf den Zeitraum vor der globalen Ausbreitung von SARS-CoV-2. Kurz gesagt, die Zahlen zeichnen ein Bild der Situation vor der Pandemie. Nach Angaben der UN wird die in den letzten Monaten ausgebrochene Gesundheitskrise die Situation noch verschlimmern. Das Risiko, weitere Dutzende Millionen Menschen in den Abgrund des chronischen Hungers zu stürzen, ist hoch, wobei die Schätzungen je nach künftigen wirtschaftlichen Szenarien zwischen 83 und 132 Millionen Menschen liegen.
Die Unterernährung ist nicht der einzige Indikator, den die Verfasser des Berichts in Betracht ziehen. Tatsächlich ist auch von „Ernährungsunsicherheit“ die Rede. Ein weiter gefasster Begriff, der auch die Fälle einschließt, in denen es keine Gewissheit gibt, Nahrung zu finden. Man rechnet diejenigen hinzu, die in einer Situation „ernster“ Unsicherheit leben (750 Millionen), und diejenigen, die eine „mäßige“ Unsicherheit haben. So sind es zwei Milliarden Menschen, die im Jahr 2019 keinen regelmäßigen Zugang zu sicheren, nahrhaften und ausreichenden Nahrungsmitteln hatten, nämlich knapp 30% der Gesamtzahl.
Sicher ist, dass bei diesem Tempo das Zero-Hunger-Ziel (der 2015 vom Welternährungsprogramm gestartete Plan mit dem ehrgeizigen Ziel, die Ernährungsunsicherheit bis 2030 zu beenden) nicht erreicht werden wird. Im Gegenteil: Wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, könnte im Jahr 2030 die Zahl der unterernährten Menschen 840 Millionen überschreiten, d.h. 9,8 % der Bevölkerung, die voraussichtlich in zehn Jahren auf dem Planeten leben wird.
Innerhalb des durch den UN-Bericht umrissenen Rahmens treten erneut gravierende geographische Ungleichheiten hervor. Bedeutend ist dabei die Zahl der Kinder unter fünf Jahren: einerseits die erschreckende Zahl der unterernährten Kinder (144 Millionen, 21,3% der weltweiten Gesamtzahl), andererseits die der übergewichtigen Kinder (über 38 Millionen, 5,6%).
Das zentrale Thema ist die Qualität der Nahrung und nicht nur der Zugang zu Nahrung. Der Bericht stellt fest, dass „die Ernährungsunsicherheit die Qualität der konsumierten Lebensmittel verschlechtern und folglich das Risiko verschiedener Formen der Unterernährung, sowie der Mangelernährung und Fettleibigkeit erhöhen kann.“
Gerade die Ernährungserziehung ist zusammen mit dem Schutz der biologischen Vielfalt eine der beiden Säulen, auf denen die Mission von Slow Food in der Welt basiert: Denn Kauf- und Konsumentscheidungen sind ein Motor für Wandel, erfordern jedoch Bewusstsein.