«Wir leben alle in einem Land, das kaum ‘lacht’, im Gegenteil, es ist ausgenutzt, verschmutzt und in der Seele verletzt… wir wollen das Heute leben und den kommenden Generationen eine bessere Welt sichern». Dies ist das Motto der Slow Food Community ‘La terra che ride – Das lachende Land. Für die Agrarökologie im Aostatal‘, die schon im Namen die Grundhaltung, die Arbeitsweise und das Ziel nennt.
Der Begriff Agrarökologie steht für die Sorge um ein Land, das den zukünftigen Generationen mindestens unversehrt, wenn nicht sogar besser hinterlassen werden muss, damit es artenreich und fruchtbar ist und den kommenden Bedrohungen standhalten kann, zumal in einem Berggebiet, das schon von sich aus schwer zu bewirtschaften ist. Rund ein Dutzend Erzeuger aus dem Aostatal sehen in der Slow Food Community das richtige Instrument, um ihre Ideale zu verfolgen und eine breite Öffentlichkeit zu erreichen: Sie wollen erzählen, was Landwirtschaft bedeutet, wenn man Umwelt und Natur schont und keine Substanzen verwendet, die verschmutzen, Insekten schädigen oder andere schädliche Folgen für das Ökosystem haben; was Viehzucht bedeutet, wenn man die Tiere auf der Weide lässt und verarbeitetes Futter vermeidet, und vor allem, was es bedeutet, hochwertige Lebensmittel zu produzieren, die gut schmecken, gesund sind und einen fairen Preis haben. So gehört zu den Zielen auch, Wirtschaftspraktiken wie Tauschhandel zu fördern, und monatlich werden Themenveranstaltungen organisiert, wie man Verschwendung vermeiden und anstelle des Geldes die Menschen aufwerten kann. Aus all diesen Gründen organisiert die Community einen Bauernmarkt in Aosta und setzt sich dafür ein, ins Netzwerk der Märkte der Erde aufgenommen zu werden. Der Beitrag der Gruppe ist denn auch für dieses weltweite Projekt von Slow Food bestimmt.
Heute gibt es in Italien rund 60 Slow Food Communities. Sie entstehen in allen Regionen, und zwar häufig aus Gruppen, die bereits den Projekten und Aktivitäten des Slow Food Netzwerks nahestehen. Die Ziele der Communities sind überwiegend mit der Aufwertung der biologischen Vielfalt, dem Ausbau der lokalen Lebensmittelsysteme und Bildungsinitiativen verbunden.
Am anderen Ende Italiens, in Apulien, arbeitet Slow Food mit dem Migrantennetzwerk zusammen. Die Slow Food Community Tèranga di Andria für Integration und Aufnahme entstand aus der Initiative der ehrenamtlichen Helfer der Solidaritätskooperative „Migrantes liberi“ und aus einem konkreten Ort, der Unterkunft Santa Maria Goretti in Andria. Hier unterstützt die Kooperative Hilfsbedürftige, darunter Asylbewerber. ‚Aufnahme‘ ist nämlich die Bedeutung des senegalesischen Wortes Tèranga. Aufnahme und Integration entstehen, wenn man den Menschen begegnet und ihre Geschichten kennen lernt, und dabei ist das Essen eine Hilfe. So kam es zu der Idee, ein Sozialrestaurant zu gründen, und nach kurzer Zeit war es da: An einem Abend im Monat wird die Sozialkantine zu einem Ort, an dem man die Geschichten der Mitwirkenden und ihre Küche kennen lernen kann. Rund zwanzig ehrenamtliche Mitarbeiter und rund 150 aufgenommene Migranten: Ihre Geschichten bilden den roten Faden bei den Menüs, zu denen sich der Saal mit neugierigen Menschen füllt, die sehen wollen, wer etwas Leckeres zubereitet hat. Eine Vorspeise, drei Hauptgerichte und ein Dessert werden von den Asylbewerbern zubereitet und serviert als Chance, von ihren Erlebnissen zu erzählen und ihre Herkunft nicht zu vergessen. Jedes Menü wird von zwei Geschichten begleitet, die die Zuhörer nie unbeteiligt lassen. Eine Rechnung kommt nicht, man zahlt mit einer Spende. Und das funktioniert nicht nur – die Initiative des Sozialrestaurants hat schon zwei weitere nach sich gezogen: den Ubuntu-Gemüsegarten, der für das Obst und Gemüse sorgen, aber auch Landwirtschaft und gemeinsame Arbeit vermitteln soll, und einen Textilworkshop. Die Gäste interessierten sich nämlich auch für die afrikanische Tischwäsche, mit der die Tafel geschmückt wird. Die ehrenamtlichen Helfer, die diese Slow Food Community gegründet haben, unterstützen das Slow Food Projekt 10.000 Gärten in Afrika.
Und schließlich die Toskana: Am 4. Mai 2019 entstand hier die Slow Food Community Oliva Minuta di Chiusi – Kleine Olive aus Chiusi – nach einjähriger Arbeit, die fast auf einem Scherz beruhte. Ein Erzeuger und zwei Restaurantbetreiber fuhren zu Terra Madre Salone del Gusto, sahen die Erfahrungen der anderen Communities und erkannten, dass sie auch in ihrer Umgebung etwas zum Schutz der biologischen Vielfalt beizutragen könnten. So entstand das Projekt, eben die Olivensorte Minuta di Chiusi zu fördern. Diese Sorte hat zwar einerseits einen geringen Ertrag (aus 100 kg Oliven werden knapp 8 l Öl gewonnen) und dementsprechend hohe Kosten, aber andererseits bietet sie verschiedene Vorteile: den hohen Gehalt an Polyphenol, der sehr gesund ist und für längere Haltbarkeit des Öls sorgt, und eine große Widerstandskraft gegen Olivenfliegen und Olivenkrebs, die dem biologischen Anbau zugute kommen. Außerdem ist die Sorte in der lokalen Landschaft seit Jahrhunderten präsent, vielleicht lässt sich der Anbau sogar auf die Etrusker zurückführen.
Um die Varietät zur Geltung zu bringen, wurde beschlossen, das Öl sortenrein herzustellen, anstatt es mit Öl auch von anderen Sorten zu mischen, und die ganze Produktkette in die Slow Food Community einzubeziehen: andere Ölbauern, Restaurantbetreiber, Ölmüller, Baumschulen und Händler. Die Community als Instrument – anstelle eines allgemeinen Vereins oder eines komplexeren Konsortiums – wurde gewählt, weil die Mitglieder die Ideale von Slow Food vertreten, selbst dem Verein angehören und alle Menschen einbeziehen wollten, die in irgendeiner Weise mit der Oliva Minuta di Chiusi zu tun haben. Heute besteht die Community aus 25 Personen, darunter die 5 Bauern, die die Sorte bereits biologisch anbauen oder gerade darauf umstellen. Ziel ist, Anbau und Verbreitung zu fördern – unter Achtung der Landschaft, der Einschränkungen und Mengen, denn wie der Name sagt, muss die Olive klein sein. Die Community unterstützt das Projekt der Gärten in Afrika.