Mit dem Weltkongress in Chengdu wurde die Notwendigkeit zu einem deutlichen Wandel für die Slow Food Bewegung bestätigt. Der Internationale Beirat hatte in seiner ersten Sitzung nach dem Kongress, die vom 15. bis 17.
Juni in Nairobi stattfand, die Aufgabe, alle politischen und kulturellen Anregungen von Chengdu zu sammeln und den Wandel vorzubereiten. Damit wurde eine Übergangsphase eingeleitet, die im Herbst 2020, wenn das weltweite Netzwerk von Slow Food den nächsten Kongress hält, vollständig abgeschlossen sein wird.
Der Wandel
«Im Jahr 2004 hat Terra Madre einen revolutionären Ruck in unsere Bewegung gebracht. Terra Madre war und ist Ausdruck der Lebensmittelgemeinschaften, deren lokales Handeln auf dem Bewusstsein basierte, dass gleichzeitig eine Partie auf weltweiter Ebene offen ist: gegen die multinationalen Konzerne, gegen alle, die die Macht über Lebensmittel, über die Landwirtschaft, über Wasser, Boden, Saatgut in der Hand haben. Unsere Antwort war: Wir setzen uns dafür ein, die Formen einer lokalen Wirtschaft zu unterstützen, mit der die biologische Vielfalt, das Gemeingut, der Respekt vor der Umwelt verteidigt wird.» So leitete Carlo Petrini die Ratssitzung ein, und er fügte hinzu: «Wenn die lokale Wirtschaft jedoch nicht an ein weltweites Netzwerk angeschlossen ist, hat sie keine Kraft.»
Ab 2004 fand ein langsamer Wandlungsprozess statt: neue Führungspersönlichkeiten traten auf und die Ziele des Vereins wurden in den Grundzügen aktualisiert, denn angesichts der immer größeren Herausforderungen unserer Zeit sah er sich vor der ständigen Notwendigkeit der Erneuerung. Petrini weiter: «Eine Besonderheit von Slow Food ist, eine Position des Zuhörens eingenommen zu haben, und dies mit dem Willen, die Biodiversität der Lebensmittel und damit auch die kulturelle Vielfalt zu verteidigen, die ihr authentischer Ausdruck ist. Eine der bedeutendsten Ausdrucksformen dafür ist das Netzwerk Indigenous Terra Madre.»
«Der Kongress in Chengdu war der innovativste, mutigste für unsere Bewegung. Uns ist so klar geworden wie noch nie, wie sie sich verbreitet und überall verwurzelt hat mit den ihr eigenen Handlungsweisen, mit der Möglichkeit, die Vielfalt zu interpretieren und sie in den Regionen mit Würde zu leben. Und wie nie zuvor wurde uns klar, dass wir uns einen Wandel auferlegen müssen, auch wenn er traumatisch ist, vor dem wir keine Angst haben dürfen. Uns ist klar geworden, dass wir in der Form kein klassischer Verein sind und auch keine NGO, sondern eine Bewegung, die im Netzwerk arbeitet und im Netzwerk ihren größten Reichtum hat. In Chengdu haben wir uns für das Organisationsmodell der Gemeinschaft entschieden.»
Die Gemeinschaft
Der Begriff Gemeinschaft ist nicht neu in der Geschichte von Slow Food und auch nicht in der Geschichte der Zivilisation generell. Gemeinschaft kommt aus dem Lateinischen communitas und bezeichnet die Fähigkeit, etwas für die Allgemeinheit bereitzustellen – Erfahrungen, Probleme, Ressourcen, Wissen –, aber auch eine Art aufzutreten und sich mit anderen zu verbinden. Im Mittelpunkt der Idee der Gemeinschaft steht das Gemeingut in Bezug auf Lebensmittel, Umwelt, Geselligkeit, Spiritualität. Und sein wesentliches Element ist die Geborgenheit. «Über Jahrhunderte haben die Gemeinschaften den Wandel bestimmt, den Wiederaufbau oder sogar die Regeneration der Wirtschaft, die Anpassung an verschiedene Situationen, haben die Fähigkeit zum Ausdruck gebracht, Herausforderungen zu bewältigen.»
«In Chengdu haben wir begonnen, die Gemeinschaften den Convivien zur Seite zu stellen, denn der Evolutionsprozess verläuft nicht mit Brüchen und Rissen, sondern er muss auf natürliche Weise erleichtert werden, aber uns ist klar, dass wir für die Inklusion arbeiten müssen, um ein einziges Netzwerk zu werden, um Bündnisse zu fördern. Die Gemeinschaften gibt es schon, viele werden in Turin vertreten sein beim nächsten Terra Madre Salone del Gusto, und viele andere haben bereits in der Vergangenheit teilgenommen. Sie einzuschließen und so endlich die Menschen, die unsere Bewegung ausmachen, „registrieren“ zu können, bedeutet, den Einfluss, die Verbreitung, die Identität dieser Bewegung genauer beschreiben zu können.»
Die doppelte Öffnung
Wenn das Ziel ist, einen Übergang einzuleiten, muss man über zwei Elemente nachdenken.
«Wissen und Können: in der Überzeugung, dass das traditionelle Wissen auf derselben Ebene anzusiedeln ist wie das akademische. Alle Hüter von Wissen und Können sind Dozenten: die Bauern, die indigenen Gemeinschaften. Die Pädagogik gehört auch den Bescheidenen, den Schwachen, sie ist kein Vorrecht der konventionellen Universitäten. Gleichzeitig sind die Bauern, Indigenen, die Schwachen, Bescheidenen alle Menschen, die wir in unsere Gemeinschaften einschließen müssen. Wir müssen uns öffnen, heute mehr denn je, für diese Menschheit, und uns völlig bewusst sein, auf welche Seite wir uns stellen: gegen die Gewalt, gegen die Unterdrückung, für die Rechte der Schwachen.»
«Wir haben viel zu tun, aber wir fangen nicht bei null an. Wir können von dem ausgehen, was wir schon haben, Projekte wie die Arche des Geschmacks und die Presidi, die Allianz der Köche, die Märkte der Erde, die Schulgärten, die Netzwerke, die bereits in unserer Bewegung aktiv sind … Denken wir daran, dass die Ideen die Welt verändern: Heute bauen wir das größte Abenteuer auf, weil wir die Schemata, die Exklusivität, die wirtschaftlichen Kategorien durchbrechen. Wir gehen heute hier hinaus mit der Pflicht, die ganze Bewegung zu „überwältigen“. So realisieren wir Slow Food 2.0, so realisieren wir ein weltweites Netzwerk, das ohnegleichen ist in der Welt.» Mit diesen Worten schloss Carlo Petrini am Sonntag, 17. Juni, das Treffen ab in der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit allen vom 20. bis 24. September in Turin für den nächsten Terra Madre Salone del Gusto (www.salonedelgusto.com).