Das Weidebuffet – Oder weil wir Grasmilch bevorzugen sollten

Andrea Cavallero ist Professor im Ruhestand. Braun gebrannt, schlank und durchtrainiert, aber nicht wie aus dem Fitnessstudio, sondern durch tägliche Aktivität, die, so stelle ich mir vor, ständiges Wandern im Freien umfasst. Das Fachgebiet von Professor Cavallero haben viele wohl noch nie gehört – jahrelang hat er an der Fakultät für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften an der Universität Turin Bienenkunde gelehrt.

Sie haben richtig gelesen. Bienenkunde, das ist kein Druckfehler: Andrea Cavallero ist ein „Guru“ der Weiden und ein überzeugter Vertreter der positiven Eigenschaften der Milch aus Gras, sowohl was den Geschmack als auch was die Nährwerte angeht.

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VORTEILE DER WEIDE

Tierwohl, Umwelt, Landschaft, aber auch Wirtschaft: Für Cavallero bietet die Weide viele Vorteile.

Zunächst einmal das Tier: Da die Weide typischerweise den Pflanzenfressern vorbehalten ist, bedeutet Weidehaltung, den Tieren das zu geben, was ihre normale, jahrtausendealte Ernährungsquelle ist. Alles, was die Ernährung im Vergleich zum artenreichen Wiesengras verändert hat, verschlechtert den Gesundheitszustand der Tiere. Ein Beweis dafür ist, dass das heutige Futter auf der Basis von Silage, Getreide und Mischfuttermitteln mit Zusatzstoffen die Dauer des Produktionslebens der Tiere drastisch verringert hat.

Und nicht nur das. Die Weidehaltung hat auch sehr bemerkenswerte Auswirkungen auf die Umgebung, die Umwelt, die Landschaft und die Nutzbarkeit. Sie garantiert eine vielfältige Vegetation in Interaktion mit den Umgebungsbedingungen. Sie garantiert im Laufe der Zeit Variationen in den von den Tieren gefressenen Pflanzen, die damit auch in der Milch eine saisonale Variation erzeugt. Diese Veränderlichkeit ist ein Merkmal, das man schätzen muss und nicht als negativ im Vergleich zur Gleichförmigkeit von industriellem Käse werten darf. Schließlich verleiht die Weidehaltung der Berglandschaft einen Nutzungsaspekt, der gewährleistet, dass sie für den Tourismus zugänglich ist.

Das Weidebuffet - Oder weil wir Grasmilch bevorzugen sollten

MILCH AUS GRAS

Es ist ein seltsamer Gedanke, dass viele Kühe, Schafe und Ziegen, obwohl sie Wiederkäuer sind, sich nicht mehr mit ihrem natürlichen Futter ernähren, und dass eine früher normale Situation es heute nicht mehr ist.

Bis vor 50 Jahren war Milch aus Gras die Norm in der Bewirtschaftung von Flachland, Hügel- und Berggebieten. Dann führte die Intensivierung der Produktion und die Verringerung der dienlichen Betriebe in Bergen und Hügeln im Verhältnis ihrem kleinen Ausmaß – diese Höfe betrieben Subsistenzwirtschaft, und es gelang ihnen nicht, sich den neuen Handelsregeln anzupassen – dazu, dass diese Gebiete aufgegeben wurden, während die Intensivierung der Landwirtschaft in der Ebene noch zunahm.

Im Zuge dieser Intensivierung wurde eingeführt, Getreide als Futter anzubauen und Mischfuttermittel mit Zusatzstoffen zu verwenden, um von den Tieren größere Produktivität zu erreichen. Auf der anderen Seite war das Ergebnis die zunehmende Aufgabe der Gebiete im Apennin und den Alpen mit schweren Schäden für die Landschaft, Umwelt und die Nutzbarkeit.

DIE WEIDE ALS BUFFET

Tiere würden also, wenn sie wählen könnten, sich für die Weide entscheiden, und auch für eine Veränderung der Weiden, da sie aus jeder Art wesentliche Nährstoffe für ihr Wohl ziehen.

Wenn wir beobachten, wie die Tiere das Gras weiden, vor allem wenn es artenreiche Wiesen sind, sehen wir, dass sie sich ein bisschen bei einer Art aufhalten, dann zu einer anderen weitergehen, dann noch weiter zu einer anderen – je nach ihren Bedürfnissen. Als ständen sie vor einem Buffet. Die Tiere suchen abwechslungsreiche Nahrung, weil die verschiedenen Gräser ihnen terpen-haltige Substanzen, Antioxidantien, Säuren, Vitamine, Karotene zuführen, die wichtig für ihre Ernährung sind. Viele dieser Substanzen, die das Tier sich einverleibt und verdaut, führen zu einer Reihe von sehr interessanten Produkten.

Ihre Milch, ihr Fleisch, ihr Käse ist jeweils verschieden. Besonders wichtig ist das Verhältnis zwischen den Säuren Omega 6 und Omega 3: Optimal sind die Werte 1 und 2, annehmbar ist auch 4, während Milch, Käse und Fleisch mit einem Wert über 4 sicherlich schädlich sind. Es besteht also kein Zweifel, dass die Verwendung von Milch aus Gras wichtig ist, weil sie gesünder ist.

Das Weidebuffet - Oder weil wir Grasmilch bevorzugen sollten

NATÜRLICHE BIODIVERSITÄT

Kann man auch bei einer Weide von Biodiversität sprechen? Und welche Unterschiede bestehen zwischen Berg-, Hügel- und Flachlandweiden?

Natürliche Weiden sind reich an biologischer Vielfalt. Eine Naturweide in einem Alpengebiet kann bis zu 80 verschiedene Arten umfassen, in einem Hügelland bis zu 20 Arten, in der Ebene können wir 10 finden. So verschieden sie auch sind, je nach der Höhenlage, handelt es sich doch immer um artenreiche pflanzliche Formationen.

Der Anbau ist dagegen in der Regel artenarm. Man versucht, die Zahl der Spezies mit künstlichen artenreichen Wiesen zu erhöhen, aber dies ist nicht immer einfach, weil es sich um eine extrem komplexe Arbeit handelt.

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