Keine Einigung über Zulassungserneuerung von Glyphosat: für Slow Food ist es höchste Zeit, diese toxische Substanz zu verbieten
25 Okt 2017
Heute wurde keine Einigung über die Zulassungserneuerung von Glyphosat erzielt. Diplomatischen Quellen zufolge diskutiert die Kommission jetzt mit den Regierungen, um zu verstehen, ob eine Reduzierung des Erneuerungszeitraums die Länder überzeugen könnte, einer Lizenzerneuerung des Unkrautvernichtungsmittels zuzustimmen.
Slow Food fordert die EU-Regierungen auf, die Zulassung abzulehnen und Glyphosat zu verbieten: anderenfalls würden sie gegen die öffentliche Meinung verstoßen und die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative „Stop Glyphosat” missachten. Das „Stop Glyphosat”-Bündnis hat 28 europäischen Nationalbehörden am 3. Juli offiziell die Ergebnisse der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Stop Glyphosat” vorgestellt, bei der 1.070.865 Unterschriften gesammelt wurden.
Carlo Petrini, Gründer und Präsident von Slow Food International, kommentiert: „Heute wurde die Stimme von über einer Million EU-Bürger und der Zivilgesellschaft ignoriert und missachtet. Es ist besorgniserregend, dass die Entscheidungsträger nicht umgehend handeln, um diese toxische Substanz zu verbieten. Es gibt wissenschaftliche Beweise dafür, dass 45% des europäischen Ackerlandes Spuren von Glyphosat enthält und dass giftige Partikel über Wind und Regen in die Umwelt gelangen und so Grundwasser verschmutzen und die natürlichen Abwehrkräfte von Pflanzen, Pilzen und Bodenorganismen beschädigen. Das ist der Beweis, dass die Substanz im Boden und letzten Endes auch in unserem Körper fortbesteht und unsere Gesundheit beeinträchtigt: unsere Rechte werden nach wie vor den Interessen der multinationalen Konzerne der Agrarindustrie untergeordnet. Produktion ohne den Einsatz von Glyphosat ist bereits Realität, man bezeichnet es als Agroökologie.* Wir sind fest davon überzeugt, dass es wichtig für unsere Gesundheit ist, diese Substanz aus unserer Ernährung zu entfernen. Das kann durch einen Wandel des Produktionsmodells und die Umsetzung agroökologischer Praktiken erfolgen.“
Glyphosat ist seit 1974 im Handel und wurde 2015 vom Internationalen Krebsforschungszentrum (IARC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als ‘vermutlich krebserregend für den Menschen’ eingestuft. Zwei Monate nach Anhörung der Einschätzung vom IARC kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu einer gegenteiligen Schlussfolgerung: aus ihrer Sicht ist es unwahrscheinlich, dass Glyphosat ‘ein Krebsrisiko für die Menschen darstellt’. Die EFSA stützte ihre Einschätzung jedoch auf einen EU-Bericht, der Analysen aus einer Studie von Monsanto kopierte und einfügte, wobei einige Seiten der Studie mit einem Antrag übereinstimmten, den Monsanto im Namen der Glyphosate Task Force (GTF) eingereicht hatte, einem von der Firma geführten Industrieverband.
* Agroökologie basiert auf dem Erhalt und dem nachhaltigen Umgang mit landwirtschaftlichen Ressourcen durch Teilhabe, traditionelles Know-How und Anpassung an örtliche Gegebenheiten. Die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs Agroökologie geht auf die 1970er Jahre zurück, aber viele ihrer Lösungsansätze wurden im Laufe der Geschichte von den ländlichen Gemeinschaften auf der ganzen Welt angewendet. Mit der Verbreitung der so genannten Grünen Revolution wurde dieser uralte Wissensfundus vergessen oder systematisch über Bord geworfen. Die Grüne Revolution führte ein Landwirtschaftsmodell ein, das auf einem hohen Grad an energiereichen externen Inputs beruht, wie dem großflächigen Einsatz von synthetisch hergestellten Agrarchemikalien und leistungsstarken Landwirtschaftsmaschinen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.
Hintergrundinformationen:
Der Entscheidung gingen wiederholte gescheiterte Versuche voran, im Ständigen Ausschuss und am 24. Juni 2016 auch im Berufungsausschuss eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen. Beide Ausschüsse repräsentieren die Mitgliedsstaaten. Am 29. Juni 2016 weitete die Europäische Kommission die Zulassung von Glyphosat bis zur heutigen Entscheidung aus.
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