Kann Agrarökologie die Welt ernähren? Ein Konferenz mit Miguel Altieri, Yacouba Sawadogo und Anuradha Mittal
28 Jul 2016
Agrarökologie ist eine Umwälzung für das System des Agrobusiness: Sie schont die natürlichen Ressourcen, wertet die Vielfalt (an Pflanzen- und Tierarten) auf, bringt die offizielle Wissenschaft mit dem traditionellen Wissen in Einklang und geht eine Herausforderung an: die Welternährung mit der Kleinlandwirtschaft abzusichern, und das in einer Zeit, die vom Klimawandel beherrscht wird…
Eineinhalb Milliarden Hektar Fläche auf unserem Planeten sind Agrarland: Ein Großteil der Weltbevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft, und die produzierten Lebensmittel könnten 9-10 Milliarden Menschen ernähren, aber dies geschieht nicht: Rund eine Milliarde Menschen leiden unter Hunger, und jedes Jahr verschwenden wir über ein Drittel der Nahrungsmittel, die für die menschliche Ernährung produziert werden.
Dieses Paradox ist nicht die einzige Folge des derzeitigen Lebensmittelsystems: Die Verbreitung von genetisch einheitlichen Monokulturen verringert die biologische Vielfalt drastisch, die Verwendung von Pestiziden und Herbiziden hat sich dagegen drastisch erhöht, wesentliche Ressourcen (wie Wasser und fruchtbarer Boden) werden immer knapper.
Die Gründe für diese Situation sind im Streben nach immer höherer Produktivität zu suchen, das die Grüne Revolution seit den sechziger Jahren propagiert. Die Industrialisierung der Landwirtschaft – verbunden mit dem Einsatz von agrochemischen Produkten, der Einführung von Hybridsorten und kommerziell hoch produktiven Tierrassen, immer stärkerer Mechanisierung und maßlosem Verbrauch von Wasser – hat zu einem Produktionssystem geführt, das vollständig auf fossilen Brennstoffen basiert und die Bodenfruchtbarkeit zerstört, nicht erneuerbare Ressourcen verbraucht, Wasser, Boden und Luft verschmutzt, die Artenvielfalt zerstört und die Konzentration von Land, Saatgut und Lebensmitteln in den Händen von wenigen multinationalen Gesellschaften beschleunigt, wobei ein starkes Ungleichgewicht zwischen Norden und Süden der Welt entsteht.
Ist es in einer so desolaten Situation noch möglich, den Kurs zu ändern und sich ein anderes Produktionssystem vorzustellen?
Nach Slow Food gibt es dieses System bereits, und es heißt Agrarökologie.
Die Agrarökologie schont die natürlichen Ressourcen, wertet die Vielfalt (an Pflanzen- und Tierarten) auf, bringt die offizielle Wissenschaft mit dem traditionellen Wissen in Einklang. Sie ist nicht nur ein Produktionssystem, sondern sie vereint agronomische, ökologische, soziale und kulturelle Aspekte.
Die Agrarökologie wird eins der zentralen Themen bei Terra Madre Salone del Gusto in Turin sein. Am 24. September wird im Teatro Carignano einer der Väter der Agrarökologie erwartet: der chilenische Agronom Miguel Altieri, Professor an der Universität Berkeley in Kalifornien.
«Es müssen Formen der biologisch vielfältigen, nachhaltigen und sozial fairen Landwirtschaft gefördert und ermutigt werden», erklärt Miguel Altieri. «Kleinbetriebe erhalten die Biodiversität und die natürlichen Ressourcen und erzielen gute Erträge ohne synthetische Chemikalien: Sie verwenden Kompost und Techniken wie Gründüngung (wobei einige Kulturen umgegraben werden, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen), Mulchen (wobei der Boden mit organischem Material wie Stroh bedeckt wird) oder die biologische Kontrolle von Parasiten. In vielen Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien nutzen die Kleinbauern gemischte Systeme, bei denen Polykulturen mit Waldgebieten und Tierzucht verbunden werden: Dies ist ein agrarökologisches Modell, das tausenden Menschen auf dem Land und in der Stadt Ernährungssicherheit bieten kann.»
Bei der Konferenz wird Yacouba Sawadogo, ein Bauer aus Burkina Faso, seine Geschichte erzählen, denn er ist ein konkreter Beweis dafür, dass der richtige Weg über das traditionelle Wissen und den Respekt vor der Erde führt. In einem Dokumentarfilm über sein Leben aus dem Jahr 2010 bezeichnet ihn der englische Regisseur Mark Dodd als „Der Mann, der die Wüste aufhielt“: Yacouba hat ein Stück Sahelzone mit traditionellen Anbautechniken fruchtbar gemacht, die heute in aller Welt untersucht werden.
Seine Geschichte beginnt in den siebziger Jahren, als Burkina unter einer schweren Dürre litt. Die Wüste dringt vor und tausende Menschen müssen Hungers sterben oder fliehen. Yacouba – der nach dem Willen seiner Familie Imam werden sollte – beschließt, Bauer zu werden, und beginnt, uralte Systeme wiederzubeleben wie die Zaï-Löcher (kleine Löcher im trockenen, kargen Boden, die während der Trockenzeit mit Kompost gefüllt werden, um in der Regenzeit bereit für die Aufnahme von Pflanzen zu sein), die Feuchtigkeit zurückhalten, und die Cordons pierreux, Mikrodämme im Boden, die Wasser stauen können. Aus einem Wüstengebiet gewinnt Yacouba 12 Hektar Wald mit über 60 Baumsorten.
Zusammen mit Altieri und Sawadogo wird auch Anuradha Mittal im Teatro Carignano über Agrarökologie sprechen: Sie ist die Gründerin des renommierten Oakland Institute, das sich innovativ und unabhängig mit dem Recht auf Land, Ernährungssystemen, Agrarökologie, Nachhaltigkeit und Klimawandel beschäftigt.
Kann Agrarökologie die Welt ernähren?
Mit Miguel Altieri, Yacouba Sawadogo und Anuradha Mittal
Samstag, 24. September, 11:00 bis 12:30 Uhr
Teatro Carignano
Preis für Mitglieder 5 €, Preis für Nichtmitglieder 7 €
www.salonedelgusto.com/it/140821evento/?ev=307
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