Herz und Land
19 Okt 2015
Auf den ersten Blick mögen Böden und Käse nicht viel miteinander zu tun haben, doch das lebende Material unter unseren Füßen ist eine Garantie für die Verschiedenartigkeit und die Qualität des Weidelands und somit auch für die Verschiedenartigkeit und die Qualität der Milch, aus der hochwertige, ganz besondere Käse gemacht werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Sinn der Konferenz über Böden, die Slow Food am ersten Tag der Cheese 2015, die vom 18. bis 21. September in Bra stattfand, klar und deutlich erkennbar.
„Das Thema Ackerland wurde von der Politik vernachlässigt“, sagt Marta Messa von Slow Food in Brüssel, die der Konferenz vorsaß. „Laut einem Artikel, der zu Anfang des Jahres in einer britischen Tageszeitung erschienen ist, ist schlechte Bodenqualität ein noch größeres Problem als der Klimawandel. Wenn wir weitermachen wie bisher, dann gibt es in 60 Jahren kein fruchtbares Ackerland mehr.“
Für die Entstehung von fruchtbarem Boden mit einer Tiefe von 10 Zentimetern sind 2000 Jahre nötig, aber nur wenige Jahrzehnte, um ihn mit Pestiziden, chemischen Düngemitteln und durch Erosion zu töten. „Der Erdboden ist das Produkt eines komplexen, lange Jahre andauernden Prozesses“, so der Teilnehmer des Forums Michele Freppaz von der Universität Turin. „Das ist, als ob man ein Kunstwerk ein zweites Mal erschaffen wollte. Man kann es nachahmen, aber ganz neu erschaffen kann man es nicht.“
Der französische Journalist Frederic Denhez, der ebenso als Redner zur Konferenz geladen war, erklärte dazu: „Die Böden produzieren weiterhin dank der Zugabe von chemischen Düngern und Zusätzen, nicht aus eigener Kraft. Wir leben in einem Katastrophenzeitalter.“
Die Bedeutung des Bodens ist Teil unseres täglichen Lebens und ist auch in unserer Ernährung erkennbar. „Der Boden ist eine Welt für sich und hat direkte Auswirkungen auf die Qualität unserer Nahrungsmittel“, sagt der Tierarzt und Gründer der Züchtervereinigung La Granda, Sergio Capaldo. „Essen ist das Medium, über das diese Mikro-Welt im Boden auf den Menschen übertragen wird… Bevor wir über Tiere reden, müssen wir uns mit dem Thema Boden befassen. Die Qualität der Milch beginnt mit der biologischen Vielfalt, die im Boden vorherrscht.“
Die Herstellung eines guten Käses erfordert mehr Wissen als das über Fütterung und Käsereitechnik, sondern auch den Respekt gegenüber der Gesundheit des Bodens und seiner Bewohner. „Wir irren uns, wenn wir die Landwirtschaft nur nach der Geschwindigkeit der Produktion sehen und nicht verstehen, dass die Qualität eines Produkts davon abhängig ist, wie wir mit den Böden umgehen. Wir müssen weniger über die Köche reden und mehr über die Zutaten und Rohstoffe. Diese Dinge beeinflussen die Nahrungsmittel, die wir verzehren.“
Das Problem dabei ist nicht nur die Verschlechterung der Bodenqualität, sondern die Versiegelung und der vollständige Verlust von fruchtbaren Böden. „Die Bodengüte kann wiederhergestellt werden, doch größere Probleme bereitet der Verlust an fruchtbaren Böden durch Bebauung“, so Roberto Burdese von Slow Food. Frederic Denhez stimmt dem zu: „Die Zersiedelung der Landschaft ist ein größeres Problem in Frankreich als im Rest der Welt. Doch wir verlieren nicht nur Land, sondern wir verlieren gutes Ackerland, da sich die Städte historisch an den Orten entwickelt haben, an denen es die besten Böden gab.“
Aber es ist nicht alles verloren. „Die Böden sind lebendig und in der Lage, ihr Ökosystem wiederherzustellen – wenn wir sie ein paar Jahre in Ruhe lassen“, so Denhez. „Aber das wollen die Menschen nicht hören, den ihr Ziel ist das Geld.“ Capaldo schlägt die finanzielle Unterstützung von Maßnahmen zum Schutze der Böden vor, statt einer Politik, die eine Landwirtschaft fördert, die die Böden zerstört. Außerdem muss das Ansehen des spezifischen Wissens örtlicher Gemeinschaften wiederhergestellt werden, die über Jahrhunderte mit eigenen Methoden degradierte Flächen wieder nutzbar machten.
„Der Boden ist ein fragiler, lebendiger Organismus, nicht nur ein Produkt zur gewerblichen Nutzung“, so Marta Messa abschließend. „Das müssen wir verstehen und wir müssen bereit sein, einen fairen Preis für landwirtschaftliche Produkte zu zahlen.”
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