Glyphosat, welche Alternativen?
10 Apr 2017
«Es ist klar, dass die einzige Alternative zum maßlosen Gebrauch der synthetischen Chemikalien für Slow Food ein klarer Wandel in der Mentalität bei Verbrauchern und Erzeugern ist, damit sich auch das herrschende Landwirtschaftsmodell verändert. Es geht nicht darum, ein schädliches chemisches Molekül durch ein anderes, weniger schädliches zu ersetzen und dann mit dieser Art der ersetzenden Landwirtschaft weiterzumachen, sondern es geht darum, die Art der Landwirtschaft zu ändern.»
Wir haben Cristiana Peano, außerordentliche Professorin an der Universität Turin (Baumzucht und Baumkultur) und Beraterin für Slow Food, gebeten uns genauer zu erläutern, was es bedeutet, auf synthetische Herbizide zu verzichten, und wie wir ein Agrarmodell aufbauen können, das uns ernährt, ohne Menschen, Tieren und Umwelt zu schaden.
Warum sollte der Einsatz von Glyphosat aufgegeben werden?
Weil er schwere Probleme für die Umwelt verursacht. Diese sind zunächst die Ansammlung des Moleküls im Boden und im Grundwasser, und zwar unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem das Herbizid gesprüht wird. Der zweite Aspekt betrifft unsere Gesundheit: Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend (LINK RICERCHE), und Rückstände davon finden sich in den Pflanzen und dann in den Nahrungsmitteln, die wir essen. Wenn es vor der Aussaat gesprüht wird, entfällt natürlich dieser Aspekt, aber es bleibt der schwere Schaden für die Umwelt.
Müssen wir also weniger schädliche Moleküle erwarten?
Tatsächlich hat die Wissenschaft eine Richtung eingeschlagen – und es ist unbestritten, dass die Wissenschaft ihren Weg machen muss –, die dahin führt, dieses Molekül durch andere, weniger schädliche zu ersetzen, die allerdings ebenfalls aus der chemischen Synthese stammen. Die reale Alternative ist, agronomische Techniken zu verwenden, mit denen die Vielzahl des Unkrauts auf den Feldern gesteuert werden kann. Denn mit dem synthetischen Molekül erreicht man die vollständige Beseitigung des Unkrauts. Mit nachhaltigeren, umweltschonenderen Techniken wird dieses nicht völlig beseitigt, sondern man kontrolliert eine Population von Beikraut, die nicht im Wettbewerb mit der Hauptkultur steht, und man bemüht sich um ein Gleichgewicht auf der Ebene des Agrarökosystems.
Welche Techniken sind das?
Im Obst- und Gemüseanbau gibt es Alternativen zur chemischen Unkrautvernichtung: Das Mulchen umfasst die Abdeckung mit Plastikplanen – die auch biologisch abbaubar sein können – oder mit natürlichen Materialien wie Stroh, Rinde und Kiefernspänen; die Bodenbearbeitung durch Hacken ist sehr viel nachhaltiger, erhöht aber die Arbeitskosten; das Abflammen umfasst die Beseitigung von Unkraut durch Hitze oder Flammen. Es wird auch mit Wasser in hohem Volumen zur Unkrautbekämpfung experimentiert, eine physikalische Einwirkung auf die Samen des Unkrauts. Es stimmt, dass diese Techniken eine Erhöhung der Produktionskosten nach sich ziehen, da man neue Maschinen kaufen muss, aber dies ist langfristig auch auf der Kostenebene durchaus machbar.
Im Rahmen der Ackerkulturen und insbesondere des Getreideanbaus sind die eben genannten Alternativen entweder nicht umsetzbar oder noch nicht ausgereift, auch wenn an den Möglichkeiten wie Abflammen und Unkrautbekämpfung mit Wasser derzeit geforscht wird. Bei Ackerkulturen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt die einzig mögliche Alternative zu Glyphosat die Bearbeitung des Bodens.
Dabei ist ein wichtiger Aspekt zu bedenken: Zwar kommt das Molekül, wenn man das Glyphosat auf das sog. „falsche Saatbett“ sprüht (man bereitet das Saatbett vor, das Unkraut wächst, man bringt Glyphosat aus und sät dann auf dem sauberen Boden) nicht mit der Hauptkultur in Berührung, aber alle Probleme mit der Anreicherung im Boden und im Grundwasser bleiben bestehen.
Kurz gesagt ist im Obstbau das Glyphosat bereits zum größten Teil ersetzt, nicht nur im biologischen, sondern auch im integrierten Anbau, denn in der Führung der Reihen und Zwischenräume der Obstplantagen ist es sogar günstiger, zum Beispiel mit einem Schmalspurhäcksler zu schneiden und nicht mit Glyphosat zu trocknen, auch weil die Anhäufung des Grasschnitts selbst zur Bodenverbesserung beiträgt. Im Gemüsebau ist Glyphosat ersetzbar, es wird immer häufiger gemulcht, auch weil eine gräserartige Pflanze (wie ein Gemüse) selbst Opfer der chemischen Austrocknung wird. Eine Gefahr, die natürlich beim Mulchen verhindert wird. Es bleibt der Getreideanbau, in dem derzeit Versuche laufen.
Und warum ist daher der Widerstand so groß, Glyphosat aufzugeben?
Es ist noch die Überzeugung lebendig, einen vollständig sauberen Boden bebauen zu müssen, in dem nur die Hauptkultur lebt, ohne jeden anderen Grashalm. Das ist die Kultur des Glyphosats. Wir sollten dagegen anfangen zu denken, dass die Hauptkulturen alles in allem auch mit anderen Pflanzen koexistieren können. Und hier muss der Begriff des Schwellenwerts eingeführt werden: Dies ist der Grenzwert, der nicht überschritten werden sollte, damit die Hauptkultur nicht durch andere Pflanzen beeinträchtigt wird. Wie schon zu Beginn gesagt, es geht wirklich um einen Wandel in der Mentalität bei der Führung der Pflanzungen.
Die gleiche Frage können wir für den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln stellen: Gibt es ein Niveau (Schwellenwert), bis zu dem das Insekt, der Pilz, das Unkraut leben kann, ohne Einkommensminderungen für die Hauptkultur darzustellen? Eine absolute Reinheit ist nicht notwendig. Man kann ein Agrarökosystem aufbauen, in dem alle Wesen koexistieren und das Ende ihres Lebenszyklus erreichen können, auch ohne wirtschaftliche Einbußen.
Wie muss sich der Landwirt engagieren?
Er muss seinen Acker und seine Kultur kennen und anerkennen und wieder zur Praxis der Beobachtung zurückkehren. Denn um unter dem Schwellenwert zu bleiben, muss man die Entwicklung der Insekten, des Beikrauts, der Krankheitserreger und Schädlinge beobachten. Dafür ist ein sehr viel höherer Aufmerksamkeitsgrad erforderlich als beim Einsatz von chemischen Mitteln, die zu festgelegten Fristen auf dem Feld ausgebracht werden, unabhängig vom tatsächlichen Zustand.
Und wenn der Betrieb sehr groß ist?
Es gibt Mittel für größere Betriebe, es gibt Techniken für die Sammlung der Informationen, man kann das ganze Potential der Präzisionslandwirtschaft nutzen (Kameras, GIS, Drohnen usw.), Musterareale einrichten und Technologien für die Kontrolle anwenden.
Um zu einer besseren Führung des Gebiets und zu nachhaltigeren Landwirtschaftsmodellen zurückzukehren, muss man eine genauere Kenntnis des Terroirs erwerben und sich mit der Wachstumsdynamik beschäftigen.
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