EU-Lebensmittelpolitik: Was ist für 2023 geplant?
23 Jan 2023
Auch 2023 bleibt Slow Food Europe seinem Grundsatz treu: Wir setzen uns für gutes, sauberes und faires Essen für alle Menschen in ganz Europa ein. Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über die aktuellen Themen der EU-Lebensmittelpolitik, die unser Team in diesem Jahr beschäftigen werden.
Vorschlag für ein neues EU-Gesetz für Nachhaltigkeit in Lebensmittelsystemen
2020 veröffentlichte die EU-Kommission als Teil des europäischen Grünen Deals ihre neue Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die darauf abzielt, Lebensmittelsysteme fair, gesund und umweltverträglich zu gestalten. Im Rahmen dieser Strategie wird die Kommission bis Ende 2023 ein Rahmenwerk für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem erarbeiten.
Das neue Rahmenwerk sollte durch die Festlegung EU-weiter Ziele, gemeinsamer Definitionen und Grundsätze sowie verbindlicher Maßnahmen gewährleisten, dass der Faktor Nachhaltigkeit künftig in allen lebensmittelrelevanten Politikbereichen Berücksichtigung findet. So könnte das Gesetz beispielweise neue Wege beschreiten bei Themen wie der Förderung bewussteren Lebensmittelkonsums und gesünderer Ernährung durch Verbesserungen im Lebensmittelumfeld und im öffentlichen Beschaffungswesen, der Verpflichtung zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsauflagen für alle Akteure entlang der Lieferketten für Lebensmittel, und mehr Transparenz und strengeren sozialen und ökologischen Schutzbestimmungen beim Handel mit Meeresfrüchten und landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Als Teil der Europäischen Koalition für Ernährungspolitik wird Slow Food Europe diesen Prozess aufmerksam verfolgen und sich das ganze Jahr über in Gesprächsforen engagieren, um Druck auf die Europäischen Kommission auszuüben, das Rahmenwerk für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem besonders ehrgeizig zu fassen und sicherzustellen, dass die Vision der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ Wirklichkeit wird.
Für ein Europa ohne Pestizide: Der Kampf geht weiter
Seitdem die Europäische Kommission im Juni 2022 im Rahmen ihres Vorschlags für eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) ihre Pläne zur Halbierung des Pestizideinsatzes und der damit verbundenen Risiken bis 2030 vorgestellt hat, haben Lobbygruppen der Industrie und konservative Politikerinnen und Politiker keine Mühen gescheut, diese Pläne zu unterlaufen, zu behindern oder gar zu torpedieren. Die letzte Wendung erfolgte im Dezember, als die EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen, dass für eine Genehmigung der Pläne zusätzlicher Forschungsaufwand nötig sei, wodurch sich ihre Verabschiedung und Umsetzung weiter verzögert.
Bereits 2019 trat Slow Food Europe der Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ bei, die bis heute europaweit mehr als 1,1 Millionen Unterschriften sammeln konnte. Unsere Forderungen? Die schrittweise Beendigung des Einsatzes synthetischer Pestizide in ganz Europa bis 2035 und Unterstützung der Landwirte beim Übergang zur Agrarökologie. Im November hat das Bündnis, zu dem auch Slow Food zählt, seine Forderungen der EU-Kommission vorgelegt; am 24. Januar findet hierzu ein Gespräch mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments statt.
Der lang überfällige Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung zur Senkung des Pestizideinsatzes in Europa reicht längst nicht aus, und ist dennoch von entscheidender Bedeutung für die Rettung des Ökosystems vor dem drohenden Zusammenbruch. Wir kämpfen weiter!
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- 10 Key Facts on Pesticides (2022)
- Positionspapier: Our food, our health: nourishing biodiversity to heal ourselves and the planet (2022), das auch einen Abschnitt über die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die menschliche Gesundheit und die biologische Vielfalt enthält.
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Bleiben neue GVO in Europa weiterhin streng reguliert?
Aktuell müssen innerhalb der Europäischen Union sämtliche (alten und neuen) Arten von GVO gemäß den geltenden EU-Vorschriften streng risikobewertet, rückverfolgbar und eindeutig gekennzeichnet sein. Diese Sicherheitsvorkehrungen ermöglichen es Landwirtinnen und Landwirten, Einzelhändlerinnen und -händlern und Verbraucherinnen und Verbrauchern, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, welche Lebensmittel sie produzieren, verkaufen und kaufen wollen, und gewährleisten, dass nur unbedenkliche Lebensmittel auf den Markt kommen.
Doch dieser erfreuliche Zustand ist in Gefahr: Agrar- und Lebensmittellobby und -konzerne drängen die EU, neue GVO von den geltenden GVO-Vorschriften auszunehmen, da diese angeblich dazu beitragen könnten, die Lebensmittelsysteme „nachhaltig“ zu gestalten. Das Urteil der Europäischen Kommission hierzu wird für den 7. Juni erwartet.
Slow Food setzt sich bei den politischen Entscheidungsträgern der EU und der Mitgliedstaaten für eine Beibehaltung der geltenden EU-Vorschriften ein, weil die neuen Gentechniken erwiesenermaßen fehleranfällig sind und zu genetischen Veränderungen führen, die eine Gefahr für die Lebensmittel- und Umweltsicherheit darstellen.
Im vergangenen Jahr hat eine europaweite Petition für die Aufrechterhaltung strikter Regulierung und Kennzeichnung neuer GVO mehr als 400.000 Unterschriften gesammelt. Eine Veranstaltung zur Übergabe der Petition an die Europäische Kommission ist für Februar 2023 geplant, und Slow Food Europe wird sich das ganze Jahr über für eine strenge Regulierung einsetzen.
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- Busting the Myths on New GMOs (2022)
- Kurzdossier: The European Commission’s Working Document on “New Genomic Techniques” (2021)
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Die Europäische Union könnte zum weltweiten Vorreiter im Tierschutz werden
2023 kann zu einem entscheidenden Jahr in Sachen Tierschutz in Europa werden, denn die Europäische Kommission plant die Vorstellung neuer EU-Tierschutzvorschriften.
Die angekündigte Revision, die auch einen Abschnitt zu Tiertransporten und Schlachtungen beinhalten soll, zielt darauf ab, die geltenden EU-Rechtsvorschriften an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen (die unter anderem belegen, dass Tiere fühlende Wesen mit eigenen Lebensbedürfnissen sind) und für mehr Tierschutz innerhalb der EU zu sorgen.
Es wird erwartet, dass der Vorschlag ein Verbot der Käfighaltung für eine Reihe von Nutztieren beinhaltet, wie es die Europäische Bürgerinitiative zur Abschaffung der Käfighaltung End the Cage Age fordert, die von 1,4 Millionen europäischen Bürgerinnen und Bürgern und mehr als 170 Organisationen in der gesamten EU, darunter auch Slow Food, unterstützt wurde.
Als Mitglied der EU-Plattform für Tierschutz[1] verfolgt Slow Food die Entwicklung des Gesetzesvorschlags mit großer Aufmerksamkeit. Wir appellieren an die EU, dabei den One-Welfare-Ansatz anzuwenden, der von einer engen Verflechtung der Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und des Planeten ausgeht.
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- Kurzdossier: Animal Welfare Policy in the European Union: Where Are We Now? Where Are We Heading? (2021)
- Who Do We Eat? – the EU Animal Welfare Legislation Under Review (2023)
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Die Zeit läuft
Mit Blick auf die für das kommende Jahr anstehenden Neuwahlen zum Europäischen Parlament und die Ernennung einer neuen Führung der Europäischen Kommission ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Gesetzesvorschläge zu Pflanzenschutzmitteln, Tierschutz und nachhaltigen Lebensmittelsystemen so rasch wie möglich verabschiedet und umgesetzt werden.
Wie Sie sehen, wird Slow Food Europe auch 2023 mit diesen Schwerpunktthemen – und nicht nur diesen – alle Hände voll zu tun haben. Auch bei anderen Themen, etwa in Sachen urbane Lebensmittelpolitik, öffentliches Lebensmittelbeschaffungswesen, Lebensmittelkennzeichnung und vielem mehr, bleibt unser Team aktiv.
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[1] Eine Expertenrunde, die sich aus Vertretern von EU-Behörden, Unternehmen, der Zivilgesellschaft und Wissenschaft zusammensetzt.
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