Ein virtuoser Kreislauf
14 Feb. 2017
Die Slow Food-Korrespondentin Kim Bayer erforscht die Erfolgsrezepte zur Unterstützung von Landwirten mit Begeisterung für die Geschichte der Lebensmittel und Vorliebe für authentischen Geschmack, die ihre Gemeinschaften mit gutem, sauberem und fairem Essen versorgen.
An einem kühlen Frühlingstag stehe ich im feuchten Gewächshaus des Tilian Farm Development Center nördlich von Ann Arbor, Michigan (USA) und spreche mit der Programmverantwortlichen Stefanie Stauffer. Ihr schlanke Gestalt und ihr dunkles Haar lassen auf die italienischen Wurzeln schließen. Sanft tätscheln ihre Hände kräftige Setzlinge.
Stauffer, frischgebackene PhD-Absolventin der Universität von Santa Cruz, baut schon in der siebten Saison alte Tomaten- und Paprikasorten für ihr Unternehmen Nightshade Farm Industries an, das landwirtschaftliche Erzeugnisse und Saucen herstellt.
Ihr Geschäftsmodell ist unter anderem deshalb außergewöhnlich, weil 20 der von ihr angebauten Pflanzensorten zur Arche des Geschmacks von Slow Food gehören. Diese seltenen Arche-Passagiere sind, in Kombination mit der Bio-Zertifizierung, ein Alleinstellungsmerkmal für das Unternehmen und ermöglichen es Stauffer, faire Preise für ihre alten Tomatensorten zu realisieren.
Stauffer erklärt, dass ihr italienischer Hintergrund und ihre Erfahrung mit Slow Food dazu beigetragen haben, ihre Begeisterung für den Anbau von Produkten der Arche des Geschmacks zu wecken. Sie sagt: „Die alten Tomatensorten öffneten mir die Tür zu Slow Food, aber das Schlüsselerlebnis war meine Teilnahme an der Veranstaltung Terra Madre Salone del Gusto im Jahr 2014, wo ich als Delegierte die Landwirte und handwerklich arbeitenden Lebensmittelproduzenten aus Michigan repräsentieren durfte. Das war in vielerlei Hinsicht eine einmalige Erfahrung, ich bekam z.B. Saatgut von italienischen Landwirten und konnte Zeit mit meinem Cousin Michele verbringen, der nach wie vor in der Toskana lebt.”
In letzter Zeit ist Michigan nicht unbedingt als Vorreiter einer positive Entwicklung bekannt. Aber was nachhaltige Landwirtschaft angeht, trifft das absolut zu. Junge Menschen eröffnen im ganzen Bundesstaat kleine diversifizierte Landwirtschaftsbetriebe. Sie bringen dabei sowohl ihre Hochschulausbildung ein, als auch die Erfahrungen altbewährter Agrarwissenschaftler, um einen gesunden Boden aufzubauen und mit ihren jungen Unternehmen die Gemeinschaften zu ernähren. Die Arche des Geschmacks bietet Kleinerzeugern die Möglichkeit, besonders hochwertige Kulturpflanzen anzubauen und damit sowohl wirtschaftlich nachhaltig als auch umweltfreundlich zu arbeiten.
Um ihren kleinen Betrieb voranzubringen, baut Stauffer alle Paprikasorten und die Hälfte aller Tomatensorten der Arche des Geschmacks an, des Katalogs von Slow Food der regional wertvollen und vom Vergessen bedrohten Produkte. Sie sagt: „Ich liebe die Vielfalt, die Geschichte und die geografische Besonderheit dieser alten Sorten.” Stauffer ist selbst für die Versorgung und die Anbautechniken verantwortlich. Sie verwendet die unverwechselbarsten Paprikas und Tomaten der Welt, um daraus eine Linie von absolut einzigartigen Saucen herzustellen. Die Bandbreite reicht von Saucen aus milden, gerösteten Tomaten bis hin zu höllisch scharfen Saucen.
Die Lebensmittel der Arche können vielfältige Formen annehmen – jedoch alle sind für ihren himmlischen Geschmack und prächtige Farben bekannt. Aber es ist nicht einfach, die Arche-Passagiere auf dem Massenmarkt zu erkennen, deshalb drohen sie aus Mangel an Bekanntheit und Nachfrage zu verschwinden.
Da das industrielle Lebensmittelsystem diese Produkte, die zu den köstlichsten der ganzen Welt gehören, als nicht vermarktungsfähig betrachtet, laufen sie Gefahr, in kommerzieller Hinsicht, wenn nicht sogar in biologischer Hinsicht, auszusterben.
Auch einer von Stauffers Kollegen des TilianFarm Development Center baut sein Geschäft auf die besonderen Produkte der Arche des Geschmacks auf. Ryan Padgett tritt im Rahmen seines Gemeinschaftshofes Radicle Roots Farm für die Arche des Geschmacks ein.
Viele Gemeinschaftshöfe im südöstlichen Michigan bauen einige Arche-Produkte an, aber Padgett nennt sie beim Namen und beschreibt in seinem wöchentlichen Newsletter ihre Bedeutung. Wenn die Mitglieder des Gemeinschaftshofes dann ihre Lebensmittel bei ihm abholen, erklärt er ihnen die jeweilige Geschichte des Produkts. Damit leistet er einen großartigen Beitrag.
Padgett und Stauffer verkaufen ihre Produkte wöchentlich an den kleinen Gemüsehändler Argus Farm Stop, der lokale Produkte auf Bestellung verkauft. Die Mitarbeiter von Argus machten sich schon immer für lokale Lebensmittel stark, seit sie jedoch die Arche des Geschmacks kennen, empfehlen sie ihren Kunden besonders gern die besten Tomaten, Paprikas, Salat- und Rübensorten im Sortiment.
Das Slow Food Convivium vor Ort, Slow Food Huron Valley, arbeitet daran, das Engagement dieser Landwirte und Händler zu unterstützen, damit die Kunden die Arche-Passagiere auf Bauernmärkten, in den Geschäften und bei Veranstaltungen wie dem jährlichen HomeGrown Festival im September leichter erkennen können.
Padgett erklärt: „Die Ideen, die diese Sorten durch ihre Geschichte und ihre Kultur übermitteln, sind für mich ausschlaggebend, sie anzubauen, sie zu fördern und ihre Geschichten in die Gemeinschaften zu tragen. Ich fühle mich quasi verpflichtet, zum Schutz dieser Sorten beizutragen, denn ohne sie wird ein Teil der Geschichte ausgelöscht. Die Zeit scheint still zu stehen, wenn du dir einen Gesprenkelten Kopfsalat anschaust und dir klarmachst, dass diese holländische Sorte aus dem 17. Jahrhundert stammt. Irgendwie hat sie es bis in die Gegenwart geschafft und liegt jetzt direkt vor meiner Nase. Wenn diese Geschichte dich nicht berührt, wird es der hervorragende Geschmack tun. Das ist die Magie von alten Sorten und den Produkten der Arche des Geschmacks von Slow Food.”
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Über die Autorin:
KIM BAYER ist Strategie- und Kommunikationsfachfrau, Projektmanagerin und gleichzeitig eine altbewährte Gemeinschaftsorganisatorin mit tiefgreifenden Kenntnissen der örtlichen Lebensmittelsysteme, die Interessengruppen zusammenbringt. Sie lebt in Ann Arbor, Michigan, wo sie eine gut 75 Hektar große Slow Farm ins Leben gerufen hat. Sie arbeitet als Beraterin und freiberufliche Journalistin mit Schwerpunkt Lebensmittelsystem und ist aktuell Slow Food Delegierte für den Bundesstaat Michigan. Seit kurzem ist sie auch als Imkerin tätig.
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