Bill Emmott spricht mit Slow Food über Ungleichheit

24 Aug 2017

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Bill Emmott ist ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift The Economist. Sein letztes Buch „The Fate of the West” wurde bisher auf Englisch, Italienisch und Japanisch veröffentlicht

Hinter den politischen Erdbeben, die unsere reichen Industrienationen in der jüngsten Vergangenheit erschüttert haben – Brexit, Trump, Macron, sogar der überragende Sieg der Gouverneurin Tokios im Juli mit ihrer neuen Partei – standen zwei eng miteinander verbundene Phänomene: Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Nachdem die Mängel der westlichen Welt im Zuge der Finanzkrise von 2008 schonungslos zum Vorschein gekommen waren, bekamen die Menschen das Gefühl, dass ihre Belange kein Gehör fänden und die Gesellschaft und Wirtschaft ungerecht geworden seien, dass „das System gegen sie manipuliert werde“.

Eine der größten Herausforderunger unserer Zeit ist es, auf jede nur erdenklich Art Abhilfe für dieses Gefühl von Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu schaffen: durch politische Rechte, eine Kampagne der Finanzreform, Zugang zu Bildung, Einkommensverteilung, Beseitigung der Hindernisse für soziale Mobilität, Mindestlöhne und vieles mehr. Als in der Vergangenheit ähnliche Krisensituationen und soziale Spannungen herrschten, wurden entsprechend große neue Investitionen getätigt, um die soziale Gerechtigkeit auszubauen und das Gemeinschaftsgefühl zu verstärken. Das kann und muss wieder geschehen.

Für einige mag das nach einer Frage von linker gegen rechte Politik klingen, als müsste die Linke wieder an die Macht kommen, um das politische Pendel in Richtung mehr Gerechtigkeit auszurichten. Ich möchte lieber auf eine ähnliche Situation in der Vergangenheit verweisen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte der republikanische US-Präsident Theodore („Teddy”) Roosevelt den Kampf gegen die von ihm so genannten „steinreichen Missetäter”, die in der amerikanischen Blütezeit des „Gilded Age” für Ungleichheit und Ungerechtigkeit verursacht hatten. Er führte neue Gesetze ein, um Monopole aufzulösen, wie das der Standard Oil Company, und verantwortete sogar eine massive Ausweitung der amerikanischen Nationalparks.

Genau das brauchen wir heute: neue Teddy Roosevelts, sowohl von links als auch von rechts. In diesem Zusammenhang ist der Lebensmittelsektor ein Konfliktfeld und eine Gefahrenzone. Konfliktfeld, da die Ausübung von Monopolen – die übermäßige Konzentration der Kontrolle über Märkte, Produktion und Vertrieb, und dementsprechend die unverhältnismäßige Kontrolle über Politik und öffentliche Ordnung, die diese Märkte kontrollieren — allen Problematiken in Verbindung mit Lebensmitteln zu Grunde liegt.

Gefahrenzone, da für die Politik stets die Versuchung besteht, Lebensmittel industrialisierter und damit billiger zu machen, um die Ungleichheit zu verringern. Diese Problematik kennt die Slow Food-Bewegung allzu gut.

Beim Kampf gegen Monopole und andere Formen übermäßiger Macht der Unternehmen müssen alle Wirtschaftsbereiche aktiv werden: der Bankensektor, infolge des riesigen Schadens, den übermächtige Finanzinstitute 2008 mit Hilfe staatlicher Subventionen anrichteten, um dann mit öffentlichen Geldern gerettet zu werden; der Technologiebereich, aufgrund der Netzwerkeffekte, die die Kontrolle über unsere persönlichen Daten und Unterhaltungen in den Händen weniger Firmen bündeln; Supermärkte, infolge ihrer Macht, Lieferanten zu drangsalieren; und die gigantischen Agrarwirtschafts- und Pharmakonzerne.

Es gibt also gute Gründe dafür, dass sich diejenigen, die Kampagnen für ein faireres Ernährungssystem mit freierem Wettbewerb führen, mit denen zusammentun sollten, die gegen andere Formen der Übermacht von Politik und Unternehmen kämpfen. Freierer Wettbewerb heißt auch, Macht gerechter zu machen, sowie legale und demokratische Kontrollmechanismen zu verwenden, um Monopole und Kartelle zu verhindern, die die Auswahl und die Vielfalt begrenzen.

Welche Gefahr besteht, wird jedoch anhand der Debatte in England deutlich, welche Handelsabkommen das Land nach dem EU-Austritt 2019 abschließen sollte. Die britische Regierung diskutiert bereits über ein neues Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten, bei dem der große Druck der Lobby, die sich gegen Einkommensungleichheit und Armut einsetzt, dazu führen könnte, den Import billiger US-Nahrungsmittel, wie die berüchtigten Chlor-Hühnchen und hormonbehandeltes Rindfleisch, zu ermöglichen.

Hat England dann mit den Worten der Brexit-Befürworter dafür gestimmt, „die Kontrolle von der EU zurückzugewinnen”, nur um sie dann an Washington mit seinen laxeren Lebensmittelstandards weiterzugeben? Der Kampf ist und bleibt noch auszufechten, sowohl gegen Monopole als auch gegen Mittelmäßigkeit. Dabei sollten wir alle den großen schottischen Wissenschaftler Adam Smith zu Rate ziehen, den Begründer des freien Marktes, der bereits 1776 in seinem Werk „Wohlstand der Nationen” vor den Gefahren von Kartellen und Monopolen warnte. In einem weniger bekannten Buch, „Die Theorie der ethischen Gefühle”, schrieb er außerdem über die Bindungen, die alle Mitglieder einer Gesellschaft zusammenhalten und über unsere Orientierung am Gemeinwohl. Genau in diesem Sinne ist der Lebensmittelbereich eins der wichtigsten Konfliktfelder der heutigen Zeit.

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