Die Olive einmal mehr Symbol für Solidarität und Frieden
26 Apr 2016
Auf der Insel Cunda in der Türkei haben sich Delegierte aus verschiedenen Mittelmeerländern – aber nicht nur – bei Slow Olive getroffen, um über ein Symbolprodukt zu sprechen: Die Olive steht nämlich nicht nur für den Frieden, sondern auch für wirtschaftliche, politische und Umweltprobleme, die Überlegungen und konkrete Maßnahmen verlangen.
Die Olive ist wohl eins der in geschichtlicher Hinsicht symbolträchtigsten Lebensmittel. Kulturübergreifend steht der Olivenzweig seit uralten Zeiten in mythologischen Geschichten und bei wundersamen Vorfällen als Zeichen für Sieg und Frieden. Meine Erlebnisse bei der Veranstaltung Slow Olive haben einmal mehr gezeigt, dass der Olivenbaum nicht zufällig zum Wahrzeichen für Frieden und friedliche Revolution geworden ist.
Slow Olive entstand als völlig neuer Termin innerhalb des zweijährlichen Beiratstreffens von Slow Food und fand in diesem Jahr 2016 vom 14. bis 17. April in der Türkei statt. Die viertägige Veranstaltung führte internationale Gäste auf die wunderschöne Insel Cunda, um über alle Themen rund um die Olive zu diskutieren und das Bewusstsein für diverse Thematiken zu sensibilisieren. Die Insel Cunda ist die größte der Inselgruppe von Ayvalik in der Ägäis und bildete mit ihrer faszinierenden Landschaft voller Olivenhaine die perfekte Kulisse für das Treffen. Von diesem hoch gelegenen Aussichtspunkt eröffnete sich ein Blick auf ein Meer von grünen Farbnuancen der kleineren Inseln, die durch ihren fruchtbaren Boden besonders für den Olivenanbau geeignet sind. Die lokale Lebensmittelproduktion wurde stark von den Griechen geprägt, die diese Gegend bevor dem Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei 1923 besiedelten. Die Küche ist bescheiden, aber schmackhaft und basiert auf Kräutern, dicken Bohnen, frischen Meeresfrüchten und reichlich Olivenöl.
Die Veranstaltung wurde von Slow Food Türkei organisiert. Delegierte aus Italien, Marokko, Tunesien, Spanien, Deutschland und Palästina reisten an, um an angeregten Diskussionen teilzunehmen. Während der Veranstaltung wurde ersichtlich, dass der Olivenbaum ein Mittel war, um über globale Probleme zu diskutieren, wie den Verlust der biologischen Vielfalt, gepanschtes Olivenöl und irreführende Terminologie auf den Etiketten. Ein wichtiges Thema war die Notwendigkeit, Verbraucher darüber aufzuklären, wie sie die Informationen auf den Etiketten interpretieren und die gute Qualität eines Produktes erkennen können. Die Diskussion war für mich als Nicht-Expertin zum einen sehr aufschlussreich, zum anderen konnte ich beobachten, wie sich unter den Teilnehmern ein Gefühl von Verständnis und Solidarität bildete. Wenn jemand über ein bestimmtes Problem in seinem Heimatland berichtete, gingen die anderen darauf ein und versuchten nicht nur, das Problem zu lösen, sondern auch den Mängeln des Systems als Ganzem auf den Grund zu gehen. Das verstärkte sich noch, als tiefergreifende Belange zur Diskussion gestellt wurden. Am dritten Veranstaltungstag wurde dann über essentielle Themen wie den Klimawandel, Land Grabbing, Ernährungssouveränität in Palästina und das Grubenunglück von Soma in der Türkei diskutiert. Jeder der Beiträge ging umsichtig auf fundamentale Themen ein, von denen viele in den betreffenden Ländern Tabu sind. Dieser Ansatz entsprach genau dem Konzept von Slow Olive und zeigte, dass die Olive ein verbindendes Element und ein Instrument ist, um über grundlegende Themen zu diskutieren.
Im Lichte meiner Erfahrungen mit den anderen Slow Food Veranstaltungen, wie Slow Fish und Slow Cheese, hatte ich mit einer ähnlichen Art von Atmosphäre gerechnet, mit Ständen, an denen man Erzeuger treffen und handwerklich hergestellte Produkte verkosten kann. Slow Olive jedoch ging positiv darüber hinaus, indem dort kritische Themen mit Hilfe direkt Betroffener und engagierter Aktivisten aufgebracht wurden. Es wurde deutlich, dass es bei der Veranstaltung nicht nur um das „Produkt“ Olivenöl ging, sondern vielmehr um die Betrachtung von Fragen rund um Lebensmittel aus einer gesamtheitlichen Perspektive. Uns wurden einige Zwischenfälle erklärt, bei denen Olivenbäume eine wichtige Rolle spielten. Wie bei den Aufständen der Palästinenser gegen die Besatzungsmacht Israel, als diese in Palästina Tausende Olivenbäume zerstörte. Nicht zu vergessen auch der Vorfall im türkischen Bezirk Soma, wo sechstausend Bäume gefällt wurden, um ein Kraftwerk zu errichten, das anschließend als funktionsuntüchtig erklärt wurde. Angesichts dieser Beispiele, von denen man noch zahlreiche anführen könnte, wäre es doch unsinnig, nur über die geschmacklichen Vorzüge der Olive zu sprechen. Olivenbäume erzeugen ein wichtiges Produkt für die Gastronomie, aber gleichzeitig sind sie untrennbar mit bedeutsamen wirtschaftlichen, politischen und umweltspezifischen Problemen verbunden, die Umsicht und Einsatz erfordern.
Im Laufe der Veranstaltung sind Freundschaften entstanden und wichtige Projekte entwickelt worden, um Lösungen für kritische Fragen und gravierende Mängel im Nahrungsmittelsystem zu finden. Aber fast noch wichtiger ist, dass wir alle mit einem Gefühl von Solidarität und Rückhalt nach Hause zurückgekehrt sind; das war das besondere Verdienst dieser Veranstaltung. Uralte schriftliche Zeugnisse besagen, dass der Olivenbaum auf die eine oder andere Art zu Frieden und Freude geführt hat. Slow Olive hat mir gezeigt, dass die Metapher des Olivenzweigs nicht auf die Gesellschaften der Vergangenheit begrenzt ist, sondern heute eine ganz eigene Bedeutung gewinnt.
Buket Soyyilmaz
Buket was born and raised in Istanbul, Turkey. After high school, she moved to Pollenzo, Italy and completed a bachelor degree at the University of Gastronomic Sciences. Her passion for food has led her to work in restaurants abroad and to research and write about food cultures. She plans to keep writing and eventually open her own food business.
Photos: Slow Food Turkey, Buket Soyyilmaz
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